freisinger tagblatt (münchner merkur), 27.02.2006:

nostalgisches voller charme und esprit

youkali weckt im café "die linie" erinnerungen an nivauvolle unterhaltung

lehmann
freising (af) - sie himmelt den mann am klavier an, hat ihm eigens pralinees mitgebracht. er zeigt sich unbeeindruckt, beginnt einfach zu spielen. sie ist verlegen, hat prompt einen frosch im hals. das ist nicht wahr, jeder merkt, es ist ein spiel. charmant gemacht aber ist es allemal. siehe da, der knoten löst sich, die sängerin hebt zu einem jazz-klassiker an - im stile einer wahren operndiva.
es war der beginn eines melancholisch bis herzerfrischend komischen konzertabends im café "die linie". annette göbel und christoph bauer, sprich das ensemble youkali, widmeten sich dort am samstag liedern von friedrich hollaender und kurt weill, verliehen unvergessenen songs von george gershwin und cole porter neue kraft.
es hing ein hauch von nostalgie in der luft, als göbel "come in and stay a while" sang. das passte gut, auch die begleitung von bauer verriet einen hang zur alten schule. musik voller esprit und elan erklang, gehaltvolle texte drangen an die ohren des publikums.
ignoranz wird bestraft
die pantomimischen fähigkeiten, die nuancen, mit denen göbel ihrem vortrag ausdruck verlieh, riefen spontan gelächter und beifall hervor. ein raunen ging durch die reihen, als sie dem pianisten unverhofft den notenständer vor den latz knallte. was war er aber auch für ein ignorant, was erdreistete er sich, ihren reizen zu widerstehen? sie hatte nicht damit gegeizt, geschnurrt wie ein kätzchen, auf dem piano posiert, lasziv die beine übereinander geschlagen. das zeugte von "sexappeal", den sie voller hingabe halb besang und halb beschwor - gelungen, weil göbel es verstand, gleichzeitig den vamp und das mauerblümchen zu verkörpern. komponisten, lieder, szenische momente, das alles stammte aus einer zeit, da unterhaltung noch sprichwörtlich und niveau noch gefragt war.