süddeutsche zeitung freising, 30.01.2006:

geschicktes spiel mit dem unerwarteten

chansonabend in der "linie" mit der freisinger sopranistin und schauspielerin annette göbel

von sabina dannoura

freising - sie mimt den vamp, gibt sich naiv, kokett, leidenschaftlich oder enttäuscht. wenige gesten, ein augenaufschlag, ein zittern in der stimme - und annette göbel schlüpft in eine andere haut. "the man i love" war der chanson-abend überschrieben, bei dem sich das publikum im freisinger café "die linie" am samstag von einer schauspielernden sopranistin verführen ließ:
am piano begleitete christoph bauer die musikalischen eskapaden: mit einem gefühlvollen tastenschlag verstand er die melancholie und sehnsucht eines liedes ebenso zu unterstreichen wie mit einem beabsichtigten geklimper zu düpieren. insofern fungierte bauer nicht nur als musikalische basis, er leitete vielfach auch die wendung eines stücks ein.
das duo nennt sich "youkali" nach dem "land all unserer wünsche", wie es roger fernay und kurt weill 1935 in einem stück beschrieben haben. das repertoire bestand aus deutschen liebesliedern von kurt weill und friedrich hollaender sowie von amerikanischen komponisten wie george gershwin und cole porter, in denen das unbeschwerte glück, unerfüllte sehnsüchte, enttäuschungen und grenzenlose traurigkeit beschworen werden. was eben die liebe zu einem mann an hochs und tiefs so alles hergibt.
es waren bekannte chansons wie der zarah-leander-schlager "der wind hat mir ein lied erzählt", "irgendwo auf der welt gibt's ein kleines bisschen glück" (heymann & gilbert 1932), "somewhere over the rainbow" oder "blue moon" die längst vergangene zeiten zum leben erweckten. doch annette göbel begnügte sich nicht mit der kopie berühmter vorbilder, sie interpretierte die melodien so, dass man sie zum ersten mal zu hören glaubte. oft rezitierte sie nur eine strophe, versuchte die letzten nuance aus dem text zu holen. vor allem aber arbeitete die gesangskünstlerin mit dem mittel der ironie.
besonders gut gelang ihr dies bei dem lied "ich wär' so gern ein sex-appeal" (marcellus schiffer, 1930), in denen sie ihre verführungsversuche mit naiven, unbeholfenen gebärden herrlich konterkarierte. oder als sie, in ein aufreizendes schwarzes samtkleid gehüllt, die famme fatale mimte - und mit ratlosem blick in der zeitschrift "psychologie heute" blätterte. göbel konfrontiert mit dem unerwarteten, ohne die komischen elemente zu übertreiben.